Sie waren hinter ihm her und so weiß Chap sich in Das zweite Leben des Cassiel Roadnight von Jenny Valentine wieder nicht anders zu helfen, als in der Notunterkunft für schwierige Kinder irgendwo in Ost-London Schutz zu suchen. Halb verhungert von seinem Leben auf der Straße und mit einer ordentlichen Portion Wut im Bauch, weigert er sich, den Betreuern seinen Namen zu nennen und verprügelt einen anderen Jungen so schwer, dass sie ihn in die Abstellkammer einschließen. Auch dort beruhigt er sich kaum:
Eigentlich war das der Grund, weshalb sie mich einschlossen. Weil ich gewonnen hatte. Das darfst du nämlich nicht. Ich weiß nicht mehr, wie der Junge hieß. Ich weiß nicht einmal mehr, um was es bei der Prügelei gegangen war. Ich war seit über zwei Stunden da drin. Ich wollte alles kurz und klein schlagen. Ich sah mir zu, wie ich es tat, irgendwo in meinem Kopf
Doch plötzlich zeigen die Betreuer ihm die Vermissten-Anzeige eines Jungen, der Chap zum Verwechseln ähnlich sieht: Cassiel Roadnight. Sie beharren darauf, dass er der vermisste Junge ist und schließlich ertappt Chap sich bei dem Gedanken, dass die perfekte Lösung seiner Probleme darin liegen könnte, Cassiel Roadnights Identität anzunehmen:
Ich betrachtete Cassiel Roadnights glückliches, makelloses, furchtloses Gesicht. Und dann kam mir der Gedanke, ich könnte, wenn ich nur wollte. Er schlich sich ein. Ich sah ihn kommen und gab mir solche Mühe, ihn zu ignorieren. Ich könnte.Und wenn ich Cassiel Roadnight wäre, sagte der Gedanke, dann müsste ich nicht mehr ich sein, wer immer das war
Als Leser begleitet man Chap dabei, wie er Cassiel Roadnights Familie und ihn selbst langsam kennen lernt. Man erfährt dabei auch etwas über Chaps Unsicherheit, seine Angst ertappt zu werden und wie er sich mit all der Liebe und Wiedersehensfreude der Familie Roadnight, die er sich eigentlich so sehr gewünscht hat, überfordert zu fühlen beginnt. Parallel dazu kehrt die Erinnerung an sein eigentliches Leben zurück, bis hin zu dem schmerzhaftesten Punkt, an dem er einfach nur noch alles vergessen wollte. Außerdem erweist sich das neue Leben als nicht weniger bedrohlich und Chap gerät in Lebensgefahr, als er versucht herauszufinden, was vor Cassiels Verschwinden geschehen ist.
Friedtjof Küchemann lobt Das zweite Leben des Cassiel Roadnight in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Geschichte mit “Spannung und Schwung”, der es gelingt “ein paar große Themen des Heranwachsens zu berühren, ohne sie den Jugendlichen aufzudrängen”. Den Spiesser überzeugt das Buch mit “Spannung, unerwarteten Wendungen und der starken Geschichte eines Jugendlichen auf der Suche nach Zugehörigkeit und Identität”. Jenny Valentine gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden und hat insgesamt ein vielschichtiges und spannendes Buch geschrieben.
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