Von dem Mord erfährt der indischstämmige Privatdetektiv Vijay Kumar in Uferwechsel von Sunil Mann durch seinen guten Freund José von der Boulevard-Presse. José hat Vijay Kumar mit penetrantem Klingeln dazu gebracht, ihn an diesem frühen Wintermorgen über die verschneiten und zugeisten Straßen zum Fundort der Leiche in unmittelbarer Nähe des Züricher Flughafens zu fahren. Die Autofahrt ist gefährlich, es ist eiskalt und außer einem Foto bekommt er nichts von der Leiche zu sehen. Aber Vijay Kumar lernt bei dieser Gelegenheit Staatsanwalt Tobler kennen:
Ein weiterer Wagen war jetzt zu hören, ein dunkler Mercedes, der in halsbrecherischem Tempo den Waldweg heraufpreschte und ruckartig vor der Absperrung anhielt. Als wäre es ein inszenierter Auftritt, ließ genau in diesem Augenblick der Sturm nach. Der Wind flaute ab, nur der Schnee fiel weiterhin in großen, flauschigen Flocken vom dämmrigen Himmel. Die Journalisten verstummten abrupt und wirkten mit einem Mal angespannt, während die Uniformierten entweder eine stramme Haltung annahmen oder beschäftigt guckten. Die ganze Welt schien den Atem anzuhalten. Dann schwang die hintere Tür des Wagens auf und ein athletisch wirkender Mann mit grau melierter, perfekt sitzender Frisur entstieg ihm. Er blieb vor dem Fahrzeug stehen und blickte sich mit selbstgefälliger Miene nach allen Seiten um, als hätte er soeben unter frenetischem Beifall eine Bühne betreten
Nachdem Tobler sich umgesehen und der Presse gegenüber keinen Kommentar gegeben hat, spricht er Vijay Kumar mit Namen an. Der Staatsanwalt hat von ihm und seinen bisher gelösten Fällen aus der Zeitung erfahren. Jetzt bittet er ihn um Zurückhaltung. Doch natürlich lässt der Fall Vijay Kumar nicht los. Er recherchiert und glaubt Parallelen zu einem anderen Fall entdeckt zu haben, bei dem ein junger Flüchtling kurz vor Erreichen des Flughafens aus seinem Versteck im Flugzeug gefallen und dabei ums Leben gekommen ist. Ermutigt durch Toblers Kontaktaufnahme, sucht Vijay Kumar ihn in der Staatsanwaltschaft auf und teilt ihm seine Theorie mit. Am nächsten Tag muss er seine Idee fassungslos in der Zeitung lesen:
Ich knallte das Glas, in dem der Latte macchiato serviert worden war, so heftig hin, dass der Kaffee hochschwappte und auf die Titelseite der größten Schweizer Boulevardzeitung spritzte. Ich konnte nicht glauben, was ich gerade las. Der Mann, der vom Himmel fiel, stand da in fetten Buchstaben, darunter war ein Bild des äußerst fotogenen Staatsanwalts Dr. Frank R. Tobler zu sehen, der sich im nachfolgenden Bericht dafür feiern ließ, dass er das Geheimnis um den Toten von Zumikon gelüftet hatte. Ein Flüchtling, der sich im Fahrwerkkasten eines Flugzeugs versteckt hatte und dabei erfroren sei, ein tragisches Schicksal, ließ sich der Staatsanwalt zitieren. Er dankte der Bevölkerung für die zahlreichen Hinweise, die im Verlauf des gestrigen Tages bei der Staatsanwaltschaft und der Kripo eingegangen seien. Wütend schob ich die Zeitung von mir
Dann erhält Vijay Kumar den anonymen Anruf eines Mannes. Der Mann bittet ihn, an dem Fall weiter zu arbeiten. Er behauptet zu wissen, dass der tote junge Mann kein Flüchtling und auch sicher nicht aus einem Flugzeug gefallen sei. Geld spiele keine Rolle. Seine Recherchen führen Vijay Kumar in die Züricher Homosexuellen-Szene und ins Rotlichtmilieu:
Den Nachmittag verbrachte ich damit, mir passende Kleidung zurecht zu legen: eine enge weiße Hose, die ich aus den Tiefen meines Kleiderschranks zutage förderte, und ein farbenprächtiges Hemd aus synthetisch glänzendem Stoff, der knisternd Funken sprühte, wenn man darüber strich. Das Kleidungsstück hatte mir eine meiner unzähligen Tanten vor Jahren aus Indien geschickt – im irrigen Glauben, sie träfe damit meinen Geschmack. Ich hatte nicht im Traum damit gerechnet, jemals in eine derart hoffnunglose Situation zu geraten, die das Tragen des Hemdes unabdingbar machte, doch nun war ich froh, dass ich es nicht in die Altkleidersammlung gegeben hatte
Ihm gelingt es, Bekannte des Toten ausfindig zu machen und es stellt sich heraus, dass der tote junge Mann wahrscheinlich ein Stricher gewesen ist. Doch von den Bekannten des Toten scheint niemand als Täter in Frage zu kommen. Doch plötzlich stirbt ein weiterer junger homosexueller Mann auf rätselhafte Weise und es scheint sich ein Zusammenhang zu dem Todesfall aufzutun, an dem Vijay Kumar gerade arbeitet und womöglich zu noch einem Weiteren. Eine entscheidende Rolle spielt offenbar eine Organisation mit dem Namen Sanduhr, die Homosexuellen verspricht, sie zu einem Heterosexuellen ‘verändern’ zu können. Die Sanduhr steht wegen einiger Selbstmorde und psychischer Störungen in der Kritik. Auch Staatsanwalt Tobler scheint Kontakt zu der Organisation zu haben. Vijay Kumar vermutet nach und nach, dass der Staatsanwalt womöglich ein persönliches Interesse daran gehabt hat, die Geschichte des Toten nicht weiter aufzurollen, sondern ihn als einen Flüchtling ohne Vergangenheit in Zürich zu behandeln.
Ein spannender Krimi!
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