The Coming Storm

Vielleicht lässt sich der Inhalt des neuen Stücks The Coming Storm der Kompanie Forced Entertainment einigermaßen treffend beschreiben, indem man sagt, es thematisiert, was zu einer guten Geschichte gehört und was eher nicht. Oder vielleicht sollte man besser sagen, alles im Stück dreht sich darum, wie Menschen am wirkungsvollsten Aufmerksamkeit auf sich lenken können? Oder noch besser: Vielleicht sollte man sagen, dass der Kampf um die Blicke des Publikums das zentrale Thema in The Coming Storm ist?

Gleich am Anfang philosophiert eine der insgesamt sechs Frauen und Männer auf der Bühne in einer Art Vortrag darüber, welche Elemente aus ihrer Sicht eine gute Geschichte ausmachen. Sie erklärt, dass eine gute Geschichte etwa Überraschungen, Mysteriöses, Missverständnisse oder auch spannende Charaktere brauche und veranschaulicht ihre Thesen durch Beispiele. Dabei stehen die übrigen Männer und Frauen in einer Reihe neben ihr und schauen ins Publikum. Der Vortrag wirkt wie eine Art Prolog, denn alle Personen tragen noch normale Alltagskleidung und die Bühne ist leer. Nur rechts und links am Rand stehen erkennbar Kleiderstangen voll bunter Kleidungsstücke, ineinander gestapelte Stühle, ein Klavier.

Plötzlich reißt ein Schauspieler das Mikrofon an sich und beginnt ganz unvermittelt eine Geschichte zu erzählen, die angeblich einem seiner Freunde, einem IT-Spezialisten, zugestoßen ist. Der Freund habe eine Kreuzfahrt gewonnen, das Schiff sei gekentert, aber der Freund habe sich an die afrikanische Küste retten können, dort einen Job gefunden, sich in seine Chefin verliebt, sie später auch geheiratet, doch er habe sich von ihr trennen müssen, als sie ihr die Einreise nach HongKong durch die Behörden verweigert worden sei. Dort habe er dann allein ein neues Leben anfangen müssen. Es ist eine lustige Geschichte, voller Brüche, komischer Sensationen, überraschender Wendungen, auch klischeehaft.

Nacheinander nehmen sich die sechs Personen das Mikrofon aus der Hand, um dann selbst eine Geschichte über andere oder sich selbst zu erzählen. Dabei reißen sie sich das Mikrofon gegenseitig einfach weg. Nur manchmal sind sie dabei noch so höflich, sich bei ihrem Vorredner zu bedanken, während sie ihm das Mikrofon dann doch bestimmt aus der Hand nehmen. Nach und nach hat die Atmosphäre etwas von einer Gruppentherapie. Als eine Frau aber davon zu erzählen beginnt, dass sie einige Tage lang von mehreren Männern eingesperrt worden sei und deren Sexsklavin sein musste, gehen die anderen sofort dazwischen. Sie nehmen ihr das Mikrofon aus der Hand und beginnen, eine unverfängliche Geschichte zu erzählen, ohne sie weiter zu beachten. Eine andere Frau möchte später ihre Geschichte niemandem mehr zumuten. Sie sei nicht sicher, ob die anderen sich davon wieder erholen könnten. Ihre Mitstreiter auf der Bühne reagieren darauf sehr anerkennend und nehmen ihr das Mikrofon gerne sofort wieder ab.

Nach und nach entdecken diejenigen, die gerade keine Geschichte erzählen können, die Accessoires am Rande der Bühne. Sie ziehen sich schillernde Kleider und Perücken an, spielen lautstark auf unterschiedlichen Musikinstrumenten, tanzen oder laufen mit nacktem Oberkörper und einer Monstermaske über dem Kopf um den Erzählenden herum. Schließlich gehen sie dazu über, dem Erzählenden dicke Äste in die Hand zu drücken, hinter denen er fast verschwindet, versuchen mit Requisiten wie einer lärmenden Windmaschine der Geschichte eine unerwartete Wendung zu geben und den Erzählenden so aus dem Konzept zu bringen, laufen mit auffälligen Verkleidungen um ihn herum, tanzen vor ihm oder schmieren ihm hässliche bunte Schminke ins Gesicht. In ihrem Streben nach Aufmerksamkeit und Ablenkung entstehen auf der Bühne viele archetypische Charaktere wie ein Gespenst, ein Krokodil, das ein bisschen etwas von einem bösen Wolf hat, ein Wald oder auch eine Art Prinzessin. Es ist so viel los auf der Bühne, dass eine Frau gar keine Geschichte mehr erzählen mag, sondern das Publikum nur flehentlich darum bittet, die Augen nicht von ihrem Tanz abzuwenden, ganz egal, was sonst noch auf der Bühne passiere.

Erhalten bleibt, dass die Erzählenden sofort unterbrochen werden, sobald ihre Geschichte eine ungute Wendung nimmt, von Tod, Gewalt, Zerstörung oder Politik handelt und absehbar ohne Happy-End bleiben muss. Die Geschichten werden banaler, handeln meist von Dingen, die angeblich anderen, meist irgendwelchen Freunden, passiert sein sollen. Immer wieder schlägt jemand den Erzählenden vor, sich vorzustellen, wie ihre Geschichte als Hollywood-Film präsentiert werden könnte und welche Hollywood-Schauspieler die Rollen darin übernehmen sollten.

Manchmal wagt sich einer, der im Laufe des Stückes verschiedene Monstermasken trägt oder mit einem Sack über dem Kopf und einem Strick in der Hand herum läuft, zu fragen, ob in die Geschichte nicht doch ein ‘killer’ eingebaut werden könnte. Immer wird der Wunsch abgeschmettert. Dennoch besteht er weiter darauf, dass in der Geschichte wenigstens ein kleines Verbrechen vorkommen müsse, wenn es darin schon keinen ‘killer’ geben dürfe. Der Verbrecher müsse auch nicht unbedingt zur Familie des Erzählenden gehören, er könne akzeptieren, dass der Verbrecher in einer anderen Straße wohne oder auch nur zu Besuch in der Stadt sei. Auch diese abgemilderten Wünsche werden ihm rigoros verwehrt. Eine Frau brüllt, sie könne nicht ertragen, dass jeder täte, was er wolle. Man habe sich schließlich darauf geeinigt, dass gewisse Themen nicht angeschnitten werden dürften. Immer wieder kommt es darüber zu Auseinandersetzungen und jeder besänftigt seine Kritiker auf seine Weise. Am Ende des Stücks wird Bilanz gezogen und alle auf der Bühne anwesenden gefragt, wie es ihnen geht. Die Gruppe toleriert allenfalls, dass der Befragte sagt, er fühle sich nicht direkt wohl, habe aber gute Hoffnung auf Besserung. So kann ein Mann ganz am Ende doch zufrieden behaupten, die Stimmung auf der Bühne ließe sich abschließend als melancholisch-optimistisch bezeichnen.

Forced Entertainment inszeniert The Coming Storm mit viel schwarzem Humor und tollem Klamauk. Für mich war es ein gelungener Abend.

Foto: ©Hugo Glendinning

Die Unperfekten

In Die Unperfekten von Tom Rachman liest Ornella de Monterecchi jeden Tag in der Zeitung. Sie ist die Witwe eines italienischen Diplomaten und die englischsprachige internationale Zeitung gibt ihr Halt, seitdem ihr Mann 1976 nach Riad versetzt worden ist. Jetzt lebt sie wieder in Rom und hat immer noch ein Abonnement der Zeitung. Aber Ornella de Monterecchi liest niemals die aktuelle Ausgabe, sie bedient sich aus ihrem riesigen Zeitungsarchiv:

Aus Langeweile hatte sie angefangen, die Zeitung zu lesen, eines der wenigen internationalen Presseerzeugnisse, die in den späten Siebzigern im saudischen Königreich zugänglich waren. Und weil sie nie gelernt hatte, wie man eine Zeitung richtig liest, las sie alles der Reihe nach wie bei einem Buch, Spalte für Spalte, von links nach rechts, eine Seite nach der anderen. Sie las jeden Artikel und fing keinen neuen an, bevor sie den anderen durch hatte, wodurch sie für jede Ausgabe mehrere Tage brauchte. Anfangs fand sie vieles verwirrend

Als die Verleger die Zeitung einstellen, da sie über viele Jahre Verluste gebracht hat, will Ornella de Monterecchi darauf dringen, dass sie weiter erscheint. Doch der Portier kann ihr nur noch die leer geräumten Redaktionsräume zeigen.

Ornella de Monterecchi ist eine von elf Personen aus dem Umfeld der in Rom redaktionell betreuten US-amerikanischen Zeitung, deren Niedergang Tom Rachman in Die Unperfekten beschreibt. Es sind aufmerksame und sehr detailreiche Porträts, die einen Augenblick in dem Leben der Personen beschreiben, der fast immer eine entscheidend fatale Wende bringt. Dabei ist die Erzählpersepektive niemals aburteilend, sondern beleuchtet die verschiedenen Facetten der Charaktere meist mit viel Verständnis.

Beispielsweise beschreibt Tom Rachman den Lebemann und Frauenheld Lloyd Burko, der die Zeitung seit ihren Anfängen kurz nach dem II. Weltkrieg mit Artikeln aus Paris versorgt. Jetzt hat seine vierte Frau einen Liebhaber, seine Kinder wollen keinen Kontakt mehr zu ihm und er ist pleite, denn er schafft es nicht mehr, Artikel an die Zeitung zu verkaufen. Arthur Gopal hingegen ist der Sohn eines berühmten Journalisten, der selbst nie wirklich über die Betreuung der Rubrik Rätsel-Brezel hinaus gekommen ist. Erst der Tod seiner Tochter könnte beruflich eine Wende einleiten. Beruflich sehr erfolgreich ist andererseits der Nachrichtenchef der Zeitung. Seit ein paar Jahren hat er auch eine glückliche Beziehung, aber dann erfährt die ganze Redaktion von dem einmaligen Seitensprung seiner Lebensgefährtin inklusive Nacktfoto per Email.

Am Ende der insgesamt elf Porträts gibt es auch einen Text, der die Geschichte der Zeitung von ihren Anfängen bis in die Gegenwart beschreibt. Dadurch wird klar, dass nicht die Stärken und Schwächen der unperfekten Redaktionsmitglieder den Bankrott der Zeitung hervor rufen, sondern dass die wirtschaftliche Lage der Zeitung bereits vor rund zwanzig Jahren schwierig war:

Anfang der neunziger Jahre begann der Erfolg der Zeitung unter Milton Berber abzuflauen – wie die gesamte Branche hatte auch die Zeitung mit einem Rückgang der Leserschaft zu kämpfen. Erst hatte das Fernsehen den Zeitungen jahrelang das Wasser abgegraben, dann hatten ihnen die Nachrichtenkanäle, die vierundzwanzig Stunden am Tag sendeten, den nächsten Schlag versetzt. Morgenblätter, die am Nachmittag davor gemacht wurden, waren nicht mehr aktuell genug

Mit diesem Erklärungen versucht der Vertreter der Verlegerfamilie die entsetzten Redaktionsmitglieder zu beschwichtigen. Er selbst hat die Zeitung noch nie gelesen und wollte beruflich eigentlich immer etwas ganz anderes machen.

Das Rosinenbrötchen

Das Rosinenbrötchen oder: Es ist alles nur eine Phase von Maximilian Buddenbohm besteht aus mehreren kleinen Geschichten, die mit viel Humor von dem Familienalltag eines Vaters, seiner Herzdame sowie SohnI und SohnII erzählen. Ganz zu Anfang erklärt der Autor:

Natürlich macht man als Mann heutzutage bei allem mit, was die Kinder betrifft. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es immer noch in den meisten Fällen die Mütter sind, die mehr Zeit mit den Kindern verbringen, sind die Männer doch längst keine ahnungslosen Ernährer mehr, die ratlos gucken, wenn ihnen abends zu Hause überraschend ein Kind über den Weg läuft. Nein, der Mann ist heute mit der größten Selbstverständlichkeit familiär engagiert und auch kompetent

Man ist als Leser dabei, wenn der Sohn am Morgen um kurz nach fünf Uhr seinen schlafenden Eltern die Geschichte von dem Helden ‘Hallamati’ vorträgt, der seien Mantel geschreddert habe, begleitet von einem Kinderakkordeon. Im Anschluss an die Darbietung will das Kind wissen, was die Geschichte eigentlich zu bedeuten habe:

Das Kind guckte mich fragend an, ich riss mich zusammen. Es ging schließlich um seine Bildung, hier war Einsatz gefordert. Der Heilige Martin also, im Prinzip eine immerhin einfache Geschichte von Mitleid. Er hatte einen Mantel, er hatte ein Schwert, der andere fror, Mantel geteilt. Geteilt, nicht geschreddert, übrigens. Voll nett. Ich sank zurück in die Kissen und machte die Augen zu. SohnI sagte: “Was?”

Als Vater hat man eben alle Hände voll zu tun. Man muss den Sohn in Modefragen und in Liebesangelegenheiten beraten, ihn pädagogisch wertvoll mit Lebensweisheiten versorgen und zum Babyschwimmen begleiten. Leider fühlt man sich dabei nicht immer so ganz Ernst genommen wie beispielsweise von der Kursleiterin, die sagt:

Ihr könnt mir gerne heute schon einmal sagen, welche Kurse ihr nächstes Jahr besuchen wollt. Ich schreib mir das auch alles auf. Und dann bespreche ich später mit euren Frauen, was wir wirklich machen

Aber als guter Vater bleibt man natürlich cool und steckt solche Missverständnisse locker weg. Das Rosinenbrötchen oder: Es ist alles nur eine Phase von Maximilian Buddenbohm ist ein sehr unterhaltsames Buch, das viel Spaß macht und sehr zu empfehlen ist.

Höchstgebot

Bei einer Auktion geht in Höchstgebot von Thomas Hoeps und Jac. Toes unerwartet eine Version des Bildes Scheherezade von René Magritte für die Rekordsumme von 43 Millionen Euro an einen anonymen Bieter. Der Kunstexperte Robert Patati, ein Bekannter der Eigentümerfamilie, hat das Gemälde begutachtet und weiß, dass es wertvoll ist:

Wegen seiner herausragenden Qualität, weil nur drei aller anderen Scheherezade-Versionen in Öl gemalt waren und weil es das war, was die Auktionatoren mit leuchtenden Augen >jungfräulich< nannten – ein Bild, das niemals wirklich auf dem Markt zu haben gewesen war

Wegen der Finanzmarkt-Krise rechnet Robert Patati mit einem hohen Verkaufspreis, denn seiner Erfahrung nach flüchten sich viele den klassischen Anlagen misstrauende Investoren in Kunst als Geldanlage. Dieser Rekordverkaufspreis übersteigt jedoch auch die kühnsten Erwartungen und auf der Auktion wird Geschichte geschrieben, denn das Bild ist nun das teuerste Gemälde René Magrittes und der Maler schnellt auf der Liste der Auktionsweltrekorde um zwanzig Listenplätze nach vorne unter die Top-Ten.

Im Folgenden überschlagen sich die Ereignisse: Das Gemälde wird trotz größter Sicherheitsvorkehrungen auf dem Transport zu dem neuen Eigentümer in den Niederlanden gestohlen. Robert Patati, der Teil des Sicherheits-Konvois ist, verfolgt die Diebe, kann an einem Bahnübergang in Maastricht die Schienen mit seinem Auto nicht mehr rechtzeitig verlassen und verursacht ein Zugunglück mit vielen Verletzten. Obwohl er den Kamerateams vor Ort und der Polizei gegenüber immer wieder auf den Diebstahl des Gemäldes hinweist, hält ihn die Polizei für einen Terroristen, der das Zugunglück absichtlich herbei geführt hat.

Fast zur selben Zeit gibt es einen Brand bei der Roeder AG in Aachen, deren Eigentümer die Familie ist, der die Scheherezade von René Magritte zuvor gehört hat. Der Tod einer leitenden Wissenschaftlerin in den Flammen und der Materialschaden drohen die Existenz der Firma  zu zerstören:

Die Stahljalousien hingen verformt  vor den Fenstern. Ein paar Lichtstreifen fielen auf zwei Netzwerk- und Serverschränke, die mitten im Zimmer aufgestellt waren. Sie waren leer. Hier waren also die Firmendaten aufbewahrt worden. Vermutlich hatte man die Überreste der Server schon gesichert. Die Montageschienen, Kabelführungen und Lüftereinheiten waren geradezu zerbröselt. Kaum vorstellbar, dass diese Hitze nicht auch die auf den Servern gespeicherten Kronjuwelen des Labors selbst vernichtet hatte

Die Ermittler aus Deutschland und den Niederlanden finden heraus, dass der Käufer des Bildes Eigentümer einer Firma ist, die auf einem ähnlichen Gebiet wie die Roeder AG arbeitet: der Robotik. Handeln die beiden Firmen womöglich nur zum Schein mit Kunst?

Höchstgebot ist bereits die dritte Co-Produktion des deutschen Autors Thomas Hopes und des Niederländers Jac. Toes, der zeitgleich mit der deutschen Veröffentlichung unter dem Titel Het boogste bod auch auf niederländisch erschienen ist. Für ihren ersten gemeinsamen Krimi sind Thomas Hoeps und Jac. Toes für den niederländischen Krimipreis Gouden Strop nominiert worden. Mit Höchstgebot ist ihnen wieder ein sehr lesenswerter Krimi gelungen, in dem neben dem spannenden Kriminalfall auch die deutsche und niederländisch Mentalität immer wieder das zentrale Thema ist.

Bellboy

In Bellboy von Jess Jochimsen steht plötzlich ein Taxifahrer vor Lukas’ Tür und fragt, ob der Irre zu ihm gehört. Lukas entdeckt im Hausflur seinen Cousin Paul, den er lange nicht gesehen hat und der sich ungewöhnliche benimmt. Der Taxifahrer verlangt noch sein Fahrgeld und drückt Lukas einen Zettel in die Hand, auf der in Kinderschrift seine Adresse und der Satz: ‘Er muss es wissen’ steht. Lukas ist ratlos. Es ist die erste Begegnung mit seiner Familie nach einer Ewigkeit:

Paul ist mein kleiner Cousin, mehr als zehn Jahre hatte ich ihn nicht gesehen, er blieb zurück in der Provinz, in der miefigen Enge von Elternhaus und Verwandtenbesuchen, von grauen Reihenhaussiedlungen, einsamen Bushaltestellen und traurigen Stadtfesten. Er blieb zurück in der Welt der Ausfallstraßen, der Sonntagskleidung, der Ohrfeigen, der >Willst du mit mir gehen?<-Zettelchen, er blieb zurück in dem Leben mit Hautausschlag, das ich verlassen hatte

Lukas weiß sich nicht anders zu helfen, als bei der Verwandtschaft, die nach wie vor in seinem Heimatdorf lebt, anzurufen und sich nach Paul zu erkundigen. Für Lukas eine aufwühlende Begegnung mit der ‘heilen Welt’ der Kleinstadt, schon der Anrufbeantworterspruch seiner Schwester bringt ihn in Rage.

Nach und nach wird Paul zum festen Bestandteil von Lukas’ WG. Er erholt sich, ist fröhlich und bemüht sich nach Kräften, im alltäglichen Tagesablauf eine Hilfe zu sein. Doch Pauls extreme Vergesslichkeit wird mehr und mehr zum Problem. Lukas kümmert sich immer hingebungsvoller um Paul. Die WG wird zu einem eingespielten Team, das an freien Tagen gemeinsam viele Reisen unternimmt, bei denen Paul zum ersten Mal in einem Hotel übernachtet, dem Bundeskanzler seine Handynummer hinterlässt oder ein Ausflugsschiff der Königlich-Bayerischen Seenschifffahrt auf dem Starnberger See zum Kentern bringt.

Schwanengesang

Darf ein Mensch seinem Leben selbst ein Ende setzen oder einem anderen dabei helfen, es zu tun? Ja, findet der Rechtsanwalt Marc Hagen in „Schwanengesang“ von Andreas Hoppert. Zumindest dann, wenn ärztlich bestätigt wird, dass die Patientin unheilbar an Magenkrebs erkrankt ist und unter unerträglichen Schmerzen leidet. Ihr behandelnder Arzt erklärt, sie bitte ihn täglich darum, ihr Leiden endlich zu beenden. Dr. Heinen hat Hagen nach einem Verhandlungstermin bei Gericht angesprochen und möchte wissen, unter welchen Umständen seine Patientin erlöst werden könne, ohne dass jemand mit dem Gesetz in Konflikt gerät.

Ich finde, es ist schlicht und einfach eine Zumutung, mit so einer Bitte einen wildfremden Menschen zu behelligen. Und anstatt diesem Arzt einfach zu sagen, dass er sich zum Teufel scheren soll, ziehst du das auch noch ernsthaft in Erwägung,

schimpft Marc Hagens Freundin, als er ihr von der Begegnung mit Dr. Heinen erzählt und dass er darüber nachdenke, dem Arzt und seiner Patientin behilflich zu sein. Marc Hagen ärgert ihre Kritik dermaßen, dass er sich nach anfänglichem Zögern doch dafür entscheidet, Dr. Heinen aktiv zu unterstützen. Auch sein Freund Gabriel, ebenfalls Rechtsanwalt von Beruf, kann ihn von dem Entschluss nicht mehr abbringen. Als unbedingter Dallasir.gif-Fan warnt er Marc Hagen vor möglichen Folgen mit Verweis auf die Serie:

Weißt du, woran mich das erinnert?”, fragte er dann. “An Mickey Trotter, Lucys Freund! Er hat einen Autounfall mit der betrunkenen Sue Ellen und ist anschließend vollständig gelähmt. Er verliert den Lebensmut und will sterben. Ray Krebbs stellt schließlich das Beatmungsgerät ab und erfüllt Mickeys Wunsch

Die Folgen für Ray Krebbs seien schrecklich gewesen, er sei des Mordes angeklagt worden und habe noch viele Jahre später durch diesen Vorfall Probleme bekommen. Marc Hagens Planung jedoch ist perfekt. Er besucht das Haus der Patientin Dr. Heinens und vergewissert sich, dass sie wirklich todkrank ist und unbedingt sterben möchte. Eher am Rande nimmt Marc Hagen zur Kenntnis, dass die todkranke Johanna Reichert vor ihrer Hochzeit mit einem reichen Industriellen Schauspielerin und sehr attraktiv gewesen ist:

Marc schaute unschlüssig die Treppe hinauf, aber von Heinen war noch nichts zu sehen. Also betrachtete Marc die Porträtgemälde, die an allen Wänden der großen Halle hingen. Einige stammten offensichtlich aus vergangenen Jahrhunderten, andere waren neueren Datums. Marc schritt die lange Reihe entlang, bis er vor einem großen Gemälde an der Stirnseite der Halle anhielt, das eine Frau von bemerkenswerter Schönheit beinahe in Lebensgröße zeigte

Von dieser Schönheit ist nichts mehr übrig, Marc Hagen begegnet einer ausgemergelten Frau, deren leichenblasses Gesicht “einem fleckigen Totenkopf” gleicht. Nachdem Johanna Reichert ihren unbedingten Sterbewunsch noch einmal ausdrücklich betont hat, besorgt Marc Hagen einen tödlichen Medikamentencocktail und zeichnet auf Video auf, wie sie die Medikamente ohne sein Zutun selbst einnimmt. Nach ihrem Tod nimmt Marc Hagen die Speicherkarte mit dem Video, die einzige Aufzeichnung des Vorfalls, an sich. Dr. Heinen teilt Marc Hagen mit, er habe den natürlichen Tod Johanna Reicherts bescheinigt.

Doch plötzlich steht die Polizei vor Marc Hagens Tür. Die Beamten sind im Besitz einer DVD, auf der der Tod Johanna Reicherts zu sehen ist. Außerdem ist die Leiche obduziert worden und die Ärzte haben dabei ist keine Krebserkrankung bei der Toten feststellen können. Hinzukommend hat Johanna Reichert ihn in ihrem Testament bedacht und ihm einen großen Geldbetrag vermacht.  Marc Hagen steht er unter Mordverdacht.

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Nikolas Nickelby

Nach dem Tod des Vaters von Nikolas Nickelby ist seine Witwe mittellos und gerät mit ihren beiden Kindern in die Hände des Bruders ihres toten Mannes. Ralph Nickelby ist Geschäftsmann, lebt in London und nach vielen Jahren harter Arbeit gelingen mittlerweile die meisten seiner Investitionen. Beteiligt ist er etwa an Geschäften wie der über Nacht aus dem Boden gestampften “Vereinigte, verbesserte, hauptstädtische Warme-Semmeln- und Kuchenbäckerei und pünktliche Ablieferungsgesellschaft”, die nach Ansicht eines Initiators schon allein wegen des Namens zu einem herausragenden Erfolg werden müsse und deren Aktien “in zehn Tagen über pari stehen” sollten. Mit viel Humor beschreibt Charles Dickens, wie das Unternehmen mit einer rührseligen Rede im Parlament vorgestellt wird und danach als etabliert bezeichnet werden kann:

Sodann stand Mr. Bonney auf, um die erste Resolution zu beantragen, fuhr sich mit der Rechten durch die Haare, pflanzte die Linke zierlich in die Hüfte, vertraute seinen Hut der Sorgfalt des Herren mit dem Doppelkinn an, der außerdem auch noch die Weinflaschen für die Redner bereithielt, und erklärte, dass die anwesende Versammlung nur mit Besorgnis und Unruhe auf den gegenwärtigen Stand des Semmelhandels in der Hauptstadt und deren Nachbarschaft  blicken könne, – dass die Semmeljungen, wie sie gegenwärtig beschaffen seien, das Vertrauen des Publikums ganz und gar nicht verdienten, und dass überhaupt das ganze Semmelsytem ebenso nachteilig für die Gesundheit und Sittlichkeit des Volkes wie verderblich für die höchsten Interessen einer Großstadt wären. Die Rede des ehrenwerten Herren entlockte den zuhörenden Damen reichlich Tränen und weckte bei allen Anwesenden die lebhaftesten Empfindungen

Ralph Nickleby ist wenig begeistert, die Familie seines Bruder durchbringen zu müssen. Er besorgt Nikolas und dessen Schwester Kate Arbeit in seinem Bekanntenkreis. Nikolas ist zunächst Hilfslehrer in einer sogenannten ‘Schule’ außerhalb Londons. Die Kinder werden misshandelt, bekommen nicht genug zu essen und sind dadurch körperlich gezeichnet:

Und erst die Zöglinge! Die jungen Aristokraten! Die letzten schwachen Hoffnungsstrahlen, der entfernteste Lichtblick einer Möglichkeit, dass erste Bemühungen in dieser Höhle des Elends je etwas Gutes erzielen könnten, schwanden aus Nikolas’ Seele, als er mit Schrecken der Wirklichkeit ansichtig wurde. Bleiche, abgezehrte Gesichter, hagere Gerippe, Kinder mit den Zügen von Greisen, Missgestalten mit eisernen Schienen an den Gliedern, Knaben im Wachstum unterdrückt, und andere deren lange, dünne Beinchen die gebeugten Körper kaum zu tragen vermochten, drängten sich vor seinen Blicken

Diese Schilderungen beruhen offenbar auf Tatsachen. Rudolf Beck erklärt im Nachwort, dass der Roman Nikolas Nickleby nicht nur so erfolgreich gewesen ist, dass ein Groschenheft-Verleger Charles Dickens durch einen Text mit dem Titel Nickelas Nickelbery Konkurrenz zu machen versucht hat, sondern dass auch die Times im Jahr 1823 Zeitungsberichte über die Zustände in Privatschulen veröffentlicht hat, die den Beschreibungen im Roman ähneln. In der Folge haben viele Schulen schließen müssen.

Im Roman muss Nikolas Nickleby die ‘Schule’ nach relativ kurzer Zeit wieder verlassen, nachdem er in eine körperliche Auseinandersetzung mit dem Eigentümer geraten ist. Auf Wunsch seines Onkels darf er nicht bei seiner Familie bleiben und kommt bei einem umherreisenden Theaterensemble unter, wo er ein Theaterstück schreibt und als Schauspieler arbeitet. Auch seine Schwester Kate hat wenig Glück in der Berufswelt. Im Salon einer Putzmacherin ist sie den Zudringlichkeiten des Ehemanns der Chefin und den Eifersüchteleien der Kolleginnen ausgesetzt. Mit viel Mühe gelingt es nach ihrem Rauswurf, sie als Gesellschafterin einer vermögenden Dame unterzubringen. Aber auch dort kann sie nicht lange bleiben.

Trotz aller Schwierigkeiten gibt es am Ende ein Happy End. Beiden Geschwistern gelingt es, zu heiraten und sie leben beieinander in einigermaßen geordneten finanziellen Verhältnissen. Sogar die Witwe Mrs. Nickleby gewinnt noch einmal einen Verehrer für sich:

Kate war nicht wenig verwirrt und wollte ihre Mutter eben um nähere Erklärung bitten, als sich abermals dasselbe Geheul vernehmen ließ und überdies ein Lärm, als wenn ein älterer Herr ungestüm in losem Sande herumtrample. Und dann sah man plötzlich mit der Geschwindigkeit einer Rakete eine große Gurke durch die Luft fliegen, sich überschlagen und zu Mrs. Nicklebys Füßen niederfallen. Diesem höchst seltsamen Meteor folgte bald ein ähnlicher, nämlich eine schöne Kürbismelone von ungewöhnlichem Umfang. Gleich darauf flogen mehrere Gurken zusammen auf, gefolgt von einem Schauer Zwiebeln und ähnlichen Küchenkräutern, dass sich fast der Himmel verdunkelte, bis sie nach allen Richtungen niederfielen und auf dem Boden herumkollerten

Begleitet werden diese regelmäßigen Aktionen des Nachbarn von Liebesschwüren, die Mrs. Nickleby jedoch einfühlsam mit Hinweis auf die Verpflichtungen ihren Kindern gegenüber zurückweist.

Der Roman Nikolas Nickleby ist ein echter Wälzer von mehr als 1.000 Seiten, der gerade durch die sprachgewandte Übersetzung von Gustav Meyrink an vielen Stellen viel Spaß beim Lesen macht. Der für seine sozialkritischen Bücher berühmte Charles Dickens hat zwar 2012 seinen zweihundertsten Geburtstag gefeiert, dennoch könnten viele der von ihm in Nikolas Nickleby beschriebenen Szenen auch heute in ähnlicher Weise geschehen.

Dornröschen interaktiv

Nach dem Fingertipp auf die App erklingt fröhliche Musik, am oberen Rand scheinen die rosa gezeichneten Rosen hin und her zu wehen und es regnen kleine gelbe Blüten auf das gekrönte Dornröschen interaktiv. Am lila Rand funkeln die Sterne. Ganz rechts blinkt  in einem kleinen golden verzierten Rahmen ein kleines Buch, das sich immer wieder auf und zu klappt. Nach einem Fingertipp auf das kleine Buch erscheint eine Zeichnung des iPads und es wird genau erklärt, mit welchen Klicks an bestimmte Stellen des Bildschirms welche Funktionen ausgeführt werden können.

Das Märchen wird mit vielen fantasievollen Bildern erzählt, die häufig an einigen Stellen animiert sind und sich durch bestimmte Fingertipps noch weiter in Bewegung setzen lassen. Zum Teil kann man als Leser regelrecht kleine Comicfilme vor- und rückwärts abspielen lassen und dabei auch die Geschwindigkeit bestimmen. Einige Effekte lassen sich auch durch Drehen und Rütteln des iPads auslösen.

Jeden Bildabschnitt begleitet die passende Textpassage. Mit einem Fingertipp kann man sich den Text auch von einem Sprecher vorlesen lassen. Alle Abschnitte sind mit Musik unterlegt. Dabei  gibt es nicht nur durch die zahlreichen Möglichkeiten, die Bilder zu bewegen, viel zu entdecken. In alle Zeichnungen hat der Zeichner eine kleine Maus versteckt, die sich manchmal nur finden lässt, wenn man die Bilder sehr genau betrachtet. Tippt man mit dem Finger auf die kleine Maus, erscheinen neue Bilder, die die Geschichte ergänzen.

Seit Wochen führen die Märchen der Gerüder Grimm die iTunes-Buch-Bestseller-Liste an. Die Dornröschen-App des Fischerverlags erzählt den Klassiker auf besonders vielseitige und fantasievolle Weise.

Das Vamperl

Das Vamperl ist ein kleiner Vampir mit einer ganz außergewöhnlichen Eigenschaft: An Stelle von Blut saugt er den Menschen das Gift aus der Galle und bewirkt so, dass sie alle freundlich werden. Nachdem er sich in einem Spinnennetz verfangen hat, findet ihn seine Ziehmutter Frau Lizzi und päppelt ihn auf. Nach und nach verliert sie ihre anfängliche Angst vor ihm und  befreit ihren Vamperl sogar aus den Klauen eines Professors. Der hat den kleinen Vampir wegen seiner Fähigkeit, die Menschen freundlich zu stimmen, gefangen genommen. Schließlich unterstützt Frau Lizzi ihren Liebling sogar bei der Suche nach einer passenden Vampirin, obwohl sie sich das Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen kann. Insgesamt vier Bände der Vamperl-Geschichten, deren geistige Mutter die österreichische Schriftstellerin Renate Welsh ist, sind bisher erschienen.

Das Vamperl, Band 1 der Damperl-Serie, ist unter dem Titel Little Vampie auch auf Englisch erschienen. Vamperl soll nicht alleine bleiben und Wiedersehen mit Vamperl, Band 2 und 3, sind als App für das iPad erhältlich. Die App enthält nicht nur den Text der Vamperl-Geschichten, auf ein Fingertippen hin kann man sich den Text auch von einer Sprecherin vorlesen lassen oder selbst das Vorgelesene aufnehmen und wieder abspielen lassen. Die tollen Illustrationen von Heribert Schulmeyer begleiten den übersichtlich gestalteten Text und umrahmen ihn. Es lohnt sich, am illustrierten Rand des Textes auf Entdeckungsreise zu gehen, denn einige der Bilder bewegen sich, wenn man sie antippt.

Außerdem kann man die App auch als Puzzle und Malbuch verwenden. Nur mit den Fingern kann die Malvorlage mit unterschiedlichen Farben ausgemalt, natürlich jeder Zeit wieder korrigiert und gelöscht oder auch gespeichert und verschickt werden. Außerdem gibt es auch einen leicht verständlichen Text, der erklärt was man mit der App machen kann und wie es geht. So macht das Lesen noch mehr Spaß!

Teufels Brüder

Die Handlung erstreckt sich über drei Tage des Jahres 1522, vom 22. Juni bis 24. Juni. Die Perspektiven und Erlebnisse der unterschiedlichsten Menschen werden nachgezeichnet, etwa die eines gefolterten Mönchs, eines Theologen, die eines Anhängers der schwarzen Magie oder einer Fürstin. Die Ereignisse in Teufels Brüder von Burkhardt Gorissen sind zwar frei erfunden, beruhen aber auf historischen Fakten.

Es ist die Zeit der Reformation, Europa befindet sich in einem Machtkampf. Weltliche und kirchliche Macht sind eng miteinander verknüpft und ringen mit- und gegeneinander. Gerade ist der junge Karl V. zum neuen König gekrönt worden, aber er ist womöglich zu schwach, das Herrschaftsgebiet zusammen zu halten. Dem Volk geht es schlecht, von den Bauern werden zu viele Abgaben verlangt und im Extremfall mit Gewalt abgerungen. Die römisch-katholische Kirche ist stark reformbedürftig und häufig nicht mehr in der Lage, ihre Moral glaubwürdig zu vertreten:

Einige Männer der Kirche sind weniger Diener Gottes als Sklaven der weltlichen Genüsse. Ihre Machtgelüste hängen nicht mit der inneren Zerrissenheit des Reiches zusammen, sondern mit der inneren Zerrissenheit der Bischöfe und Kardinäle selbst, die die Kirche Christi für eine Markthalle halten, in der sie mit Ablässen handeln können,

erklärt der Kirchenmann Custodis dem Theologen und ehrlichen Christen Cornelius Berthelot. Das Schlimme sei, der Mönch Martin Luther habe Recht: Eine Reform der Kirche sei längst überfällig.

Zu diesem Zeitpunkt hat Berthelot bereits der Brief eines ehemaligen Studienkollegen aus Padua erreicht. Den Inhalt empfindet Berthelot als deutlich bedrohlicher: Der Fürst von Gelderland hat sich der geheimen Bruderschaft S.O.L. angeschlossen. In diesem Gebiet befindet sich auch die Universität von Leuven, an der Berthelot lehrt. Die geheime Bruderschaft plane eine neue Weltordnung, huldige der schwarzen Magie und bringe womöglich sogar Menschenopfer. Außerdem setze sie alles daran, den Liber Secretus in die Hände zu bekommen, von dem es heiße, Satan habe ihn Nero diktiert. Der Liber Secretus solle Anleitungen zur Entfesselung des Bösen enhalten. Berthelot müsse sein ganzes Geschick anwenden, um das Schlimmste zu verhindern. Denn ein wichtiger Vertreter der gefährlichen Bruderschaft sei ein weiterer ehemaliger Studienkollege: Pelagius Prelati.

Am Hofe des Fürsten von Gelderland, wo Prelati es zum engsten Vertrauten des machtbesessenen Regenten gebracht hat, ist man zutiefst beeindruckt:

Ohne Zweifel war er der Mittelpunkt des Hofes. Immer umwehte ihn der Hauch der Sensation, irgendetwas Unbegreifliches, Nichtfassbares, das einer höhreren Spähre zu entstammen schien, das allerdings nicht die Reinheit des Himmels atmete, sondern die Geworfenheit des Dämonischen verriet. Niemand wusste etwas über seine Vergangenheit, allerlei Gerüchte umrankten ihn

Es stellt sich heraus, dass Prelati dem Fürsten von Gelderland mit Hilfe der schwarzen Magie des Liber Secretus zur Macht über Mitteleuropa verhelfen will. Zu diesem Zweck versucht er offenbar, auch Kirchenmänner heimlich auf seine Seite zu ziehen. Bekannt ist, dass diejenigen Kirchenleute, die von dem Buch wissen, verfolgt werden. Offenbar versuchen Prelatis Schergen ihnen ihr Wissen über das magische Buch mit Folter wieder zu entreißen:

Durch die Jahrhunderte war viel Blut in die Felder von Burgundisch-Flandern gesickert. Kaum hatten sich die Machtverhältnisse verschoben, forderten neue Herrscher weiteren Blutzoll. Eine endlose Geschichte von Mut, Elend, Feigheit und Verbrechen – und sie geschah in jeder Generation

Kenntnisreich und mit viel Einfühlungsvermögen in die unterschiedlichen Charaktere zeichnet Burkhardt Gorissen die zum Teil blutigen Ereignisse mit vielen Details aus den unterschiedlichen Perspektiven sehr lesenswert nach.